Zu Besuch bei 2 Landwirten auf ihren Solawi-Höfen

Bericht eines spannenden Tagesausflugs zum Thema Solidarische Landwirtschaft (Solawi) am 21.12.2016

Zusammen mit dem Service d’économie rural und den Partnern Mouvement Ecologique, Kooperativ vun der Atert und CELL organisierte die Ekologisch Landwirtschaftsberodung des Oekozenter Pafendall und der Lëtzebuerger Landjugend a Jongbaueren einen Tagesausflug zu 2 Solawi-Betrieben. Das Interesse war groß: In einem voll besetzten Reisebus begann morgens um 6 Uhr die Reise nach Stopperich und Hennef im Umland von Bonn.

Eine andere Form von Landwirtschaft

Seit jüngster Zeit macht auch hier in Luxemburg – nicht zuletzt auch durch den Rifkin-Bericht – eine alternative Form der Landwirtschaft und Direktvermarktung Schlagzeilen: Solidarische Landwirtschaft. Hier trägt eine Gruppe von Konsumenten die Kosten eines landwirtschaftlichen Betriebs, wofür sie im Gegenzug dessen Ernteertrag erhalten. Das Besondere daran: der Bauer hat die Möglichkeit seine Produkte regional und unabhängig vom freien Markt abzusetzen, und es entsteht ein persönlicher Bezug zwischen Erzeuger und Konsument, den viele Verbraucher heute vermissen. Solidarische Landwirtschaft bietet dem Bauern die Möglichkeit einen neuen Betriebszweig stabil aufzubauen und so seinen Betrieb zu diversifizieren.

Dieses Potential erkannten auch Familie Kröll in Stopperich und Landwirt Bernd Schmitz im Hanftal in Hennef als sie im Jahr 2014 eine solidarische Landwirtschaft aufbauten. Jürgen Kröll, Milchviehbauer, erfuhr durch einen Freund vom etwas anderen Prinzip der Betriebsführung. Durch eine unverhofft gut besuchte und erfolgreiche Informationsveranstaltung konnte er Menschen in seiner Region für dieses Prinzip begeistern. Diese entschlossen sich prompt dazu, selbstorganisiert eine Solawi-Initiative zu gründen. Der Landwirt stellte daraufhin Fläche für den Gemüseanbau zur Verfügung. Es wurde ein Gemüsegärtner eingestellt, der über die Mitgliedsbeiträge bezahlt wird, und die Mitglieder erhalten seitdem während der Saison einen wöchentlichen Gemüsekorb. Fleischprodukte, die Jürgen Kröll noch neben seiner Milch erzeugt, können von den Mitgliedern zusätzlich zum Gemüseabo gekauft werden.

Von der Unmöglichkeit des Gemüseanbaus

Mein Vater hätte sich nie erträumen können, dass auf diesen Flächen einmal Gemüse wachsen würde“ so Bernd Schmitz, Milchviehbauer aus Hennef. Sein Betrieb liegt in einer Mittelgebirgs- und damit einer Grünland- und Viehregion in der Nähe von Hennef. Zu ihm kam 2013 eine Gruppe Menschen aus Bonn, die auf der Suche nach Flächen für ihre Gemüseversorgung waren.
Die Vorteile einer Zusammenarbeit mit einem Landwirt liegen auf der Hand: Flächen, maschinelle Aushilfe, Know-how, Traktoren und deren Zugkraft sind vorhanden. Das Wissen für den Gemüseanbau kann erlernt werden, bzw. wird durch die Einstellung einer Fachkraft ins Projekt geholt.

Der große Vorteil des Solawi-Prinzips im Gemüseanbau ist, so Bauer Bernd Schmitz, dass er auf geringer Fläche ohne viel Maschineneinsatz funktioniert. Es kann eine große Vielfalt an Gemüsekulturen produziert werden, da die Abnehmer bereits am Anfang der Saison feststehen. Darüber hinaus entsteht bei der Produktion kein Lebensmittelabfall, da immer alles verteilt wird. Dies wäre am Markt in Konkurrenz zu spezialisierten Betrieben schwieriger.

Was er als Milchviehbauer davon hat, wenn er seine Flächen für den Gemüseanbau zur Verfügung stellt, so die Frage eines Teilnehmers: Sein direktes Engagement, ca. 10 Stunden die Woche, wird durch die Mitgliedsbeiträge entlohnt. Seine Tochter arbeitet zudem als halbe Arbeitskraft im Projekt mit. Neben der Schaffung von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum ist es auch die Kommunikation mit den Verbrauchern und dem daraus resultierenden Verständnis. Des Weiteren bietet das Projekt die Chance, eine Vollversorgung für die Mitglieder bereitzustellen. So wurden auch Eier und Getreide, das von einem Bäcker zu Brot für die Solawi verarbeitet wird, ins Sortiment aufgenommen. Milch- und Fleischprodukte sollen in Zukunft folgen.

Eine ansteckende Motivation

Dies alles lässt einen eine große Motivation verspüren, ein Anreiz, von dem sich beide Seiten, Produzent und Konsument, immer wieder gegenseitig anstecken lassen, so der Landwirt. Dies kann man auch an experimentierfreudigen Projekten der Mitglieder sehen, die auf dem Betrieb entstanden sind: so zum Beispiel der Bau eines mobilen Hühnerstalls sowie eines Biomeilers –  ein eingezäunter Grünschnittkomposthaufen, dessen Abwärme einen Schlauch mit Wasser erhitzt, welcher im Folientunnel den verfrühten Gemüseanbau ermöglicht.

In der Mittagsstunde hielt Simon Keelan von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung einen Vortrag über verschiedene Beteiligungsformen von Konsumenten in der Landwirtschaft (der Vortrag kann per E-Mail an agri@oeko.lu angefragt werden). Anschließend berichtete Joseph Decker (Mitglied der Solawi Bonn und Gründungsmitglied einer neuen Solawi Gruppe im Gebiet Rhein-Ahr, welche kürzlich einen Landwirt für eine Zusammenarbeit finden konnten) seine Erfahrungen aus der Perspektive eines Konsumenten.

Soziale Fähigkeiten des Landwirts, wie Offenheit und Kommunikationsbereitschaft, sind tragende Elemente eines Solawi-Projektes. Auch wenn nicht konstant Mitglieder auf dem Hof anwesend sind, so stellen sie doch Fragen. Manche möchten sich aktiv einbringen. Transparenz ist wichtig, da die Gruppe über die Arbeiten, die auf den Flächen und auf dem Hof anfallen, informiert sein muss. Die Investition seitens des Bauern wird ihm an Vertrauen und vor allem an Solidarität zurückgegeben, so die beiden Landwirte.

 

Buchempfehlungen

Sich die Ernte teilen… Einführung in die solidarische Landwirtschaft, Hrsg. Stephanie Wild, Printsystem Medienverlag
ISBN 9783938295618, (ausleihbar: Bibliothek Oekozenter Pafendall)

Gemeinsam auf dem Acker, Solidarische Landwirtschaft in der Schweiz, Bettina Dyttrich, Giorgio Hösli
ISBN 9783858696670, (ausleihbar: Bibliothek Oekozenter Pafendall)

AMAP – histoire et expériences, Annie Weidknnet, société/loubatières,
ISBN 978-2-86266-631-X (ausleihbar: Bibliothek Oekozenter Pafendall)

Une autre finance pour une autre agriculture – Editions Yves Michel – Collection Économie
ISBN 978 2 36429 030 3 – 272 (ausleihbar: Bibliothek Oekozenter Pafendall)

 

Akteure im Bereich solidarische Landwirtschaft in Luxemburg

  • Oekozenter Pafendall – Informationsstelle geplant         www.oekozenter.lu
  • CELL – centre for ecological learning Luxembourg         www.cell.lu
  • TERRA coop – Gemüsebau in Luxemburg-Stadt           www.terra-coop.lu
  • Krautgaart – Gemüsebau in Koerich                               www.krautgaart.lu
  • Biekerecher Geméisgaart                                               www.biobagg.com
  • Vun der Atert coop – solidarische Landwirtschaft in Planung

Akteure im Ausland

  • Deutsches Netzwerk solidarische Landwirtschaft           www.solidarische-landwirtschaft.org
  • Schweizer Kooperationsstelle Solawi                             www.solawi.ch
  • Frankreich Reseau national des AMAP                          www.reseau-amap.org
  • Internationales Netzwerk                                                www.urgenci.net