Landwirtschaft: Verbraucher fordern viel – aber kaufen sie, was sie fordern?

Beziehungen zwischen Konsumenten und Landwirtschaft sind voller Widersprüche. Einerseits stellen Verbraucher hohe Ansprüche. Andererseits erleben Landwirte, dass viele von ihnen nicht bereit sind, mehr Geld für regionale und biologische Produkte auszugeben. Dieses Bild zeichnet eine informelle Umfrage, welche die Ekologesch Landwirtschaftsberodung auf dem diesjährigen Bauerenhaff an der Stad Anfang April 2022 durchgeführt hat.

Mit dem Bauerenhaff an der Stad möchte die Lëtzebuerger Landjugend a Jongbaueren (LLJ) die Landwirtschaft näher an Verbraucher bringen. Ganz in diesem Sinne führte die Landwirtschaftsberatung des Oekozenter Pafendall dort eine informelle Umfrage durch, um mehr darüber zu erfahren, welche Erwartungen Produzenten und Konsumenten voneinander haben. So konnten Besucherinnen und Besucher des Stands ihre Erwartungen und Forderungen auf Pinnwänden kundtun. Diese boten Denkansporn und Diskussionsanregung zugleich.

Erwartungen von Verbrauchern – Mehr Diversifizierung und Bio-Landwirtschaft

Bei den Stimmen der Konsumenten überwogen Forderungen nach Diversifizierung der Landwirtschaft in Luxemburg – dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs, der die Sicherheit der Lebensmittelversorgung stärker ins Bewusstsein gerückt hat.

„Mehr Obst und Gemüse, made in Luxemburg“

Einige Verbraucher wünschen sich, eine größere Auswahl an Lebensmitteln regional und direkt vom Bauernhof kaufen können. Außerdem erwarteten die meisten Verbraucher, die an den Stand kamen, dass landwirtschaftliche Betriebe Natur, Wasser und Klima stärker schützen, indem sie weniger Pflanzenschutz- und Düngemittel einsetzen und gesunde Böden an die nächste Generation weitergeben.

„Ich erwarte von der Landwirtschaft, dass sie eine starke Stimme für die Biodiversität und den Ressourcenschutz sind“

Auch gab es Forderungen nach weniger Milchproduktion und Tierhaltung sowie nach mehr Tierwohl. Viele Verbraucher sehen diese Erwartungen am ehesten durch Bio-Produktion erfüllt und forderten daher mehr biologische Landwirtschaft.

Bei aller Kritik gab es jedoch auch Besucherinnen und Besucher am Stand, die viel Hochachtung für Landwirte zeigten und sich für ihre Arbeit bedankten. Einige wünschten sich eine bessere Kommunikation seitens der Landwirtschaft und mehr Veranstaltungen wie der Bauerenhaff an der Stad, damit Verbraucher mehr Verständnis für Landwirtschaft entwickeln könnten.

Gleichzeitig gab es auch Besucherinnen und Besucher am Stand, die ihre Meinungen nicht auf den Pinnwänden festhalten wollten. Hierzu gehörten auch solche Meinungen, die von oben genannten abwichen, aber womöglich näher am eigentlichen Kaufverhalten eines Großteils der Gesellschaft sind. So gab es einige Konsumenten, die in punkto Landwirtschaft und Lebensmittel alles in bester Ordnung sahen. Andere bezeichneten Bio-Landwirtschaft und Naturschutz als „Luxus“, den man sich in Krisenzeiten wie diesen nicht mehr leisten könne. Es müsse wieder mehr für Produktivität und niedrige Lebensmittelpreise getan werden.

Auch Handel und Politik in der Pflicht

Erwartungen von Konsumenten richteten sich nicht allein an die Landwirtschaft. Mit Blick auf den Einzelhandel gab es Forderungen nach weniger Verpackungen und Plastik (gerade auch bei Bio-Gemüse) hin zu mehr biologisch abbaubarem Material. Von der Politik wurde ein bedingungsloses Grundeinkommen für Landwirte als Entlohnung für Klima-, Arten- und Wasserschutz gefordert. Andere appellierten an die Politik, mit Maßnahmen wie Indextranchen sicherzustellen, dass alle in der Gesellschaft sich gesunde Lebensmittel überhaupt leisten können. Angesprochen wurde auch der Wirrwarr bei den Labeln, mit dem Hinweis, dass ein einziges nationales Label für regionale Lebensmittel reichen müsste.

Erwartung von Produzenten – „Kauft, was Ihr fordert“

Viele Betriebsleiter und Akteure aus der Landwirtschaft reagierten mit einem Ausdruck der Hilflosigkeit und teilweise Verärgerung auf die Forderungen. Hohe Mindestlöhne, Flächenpreise, Verwaltungsaufwand und Mangel an Arbeitskraft machen ihnen zu schaffen. Viele fühlen sich in ihrer Existenz bedroht. Viele regionale und Bio-Produzenten erleben seit Anfang des Jahres Absatzeinbrüche von bis zu 30 %. Der Aufwind, den die Corona-Pandemie vielen luxemburgischen Produzenten beschert hatte, scheint am Ende.

Konventionelle Landwirte berichteten am Stand, sie würden gern mehr für Klima-, Umwelt-, Naturschutz und Tierwohl tun und andere Lebensmittel produzieren. Eine zu geringe Bereitschaft seitens der Verbraucher, „korrekte Preise“ zu zahlen, steht dem jedoch im Weg. Die zentrale – und nahezu einstimmige – Botschaft von Landwirten an Verbraucher lautete denn auch

Kauft, was ihr fordert

mit einem Schwerpunkt auf

Mehr regionale Produkte kaufen

Außerdem warben Produzenten für mehr Verständnis und Wertschätzung für ihre tägliche Arbeit und wehrten sich gegen das Image als Verschmutzer. Sie baten um mehr Vertrauen in ihre Fachkompetenz bezüglich angemessener Tierhaltung, bewusstem Umgang mit Pflanzenschutz- und Düngemitteln und welche Maßnahmen in der Praxis funktionieren.

„Nicht wie gut und böse“

Viele Akteure aus der Landwirtschaft stellten die scharfe Unterscheidung zwischen konventioneller und biologischer Landwirtschaft in Frage. „Bio“ heiße nicht automatisch, alles ist gut. Konventionelle Landwirtschaft dürfe nicht pauschal verteufelt werden. Einige argumentierten, Bio-Landwirtschaft sei stark von konventioneller Landwirtschaft und Ausnahmegenehmigungen abhängig (u.a. bei Stroh und Import von organischen Düngern) und der Einsatz von Mitteln wie Kupfer (z.B. Kartoffelanbau) würde Böden auf Dauer belasten. Bei Bio würde eher ein Auge zugedrückt werden. Es fehle an Transparenz und Ehrlichkeit seitens von sowohl der Bio-Landwirtschaft selbst als auch der Politik. Außerdem würden viele konventionelle Betriebe synthetische Pflanzenschutz- und Düngemittel nur sehr begrenzt einsetzen. Andere verwiesen darauf, dass viele konventionelle Betriebe immer intensiver unterwegs seien.

Ausblick: Bedarfsanalyse

Der Bedarf an Dialog und Zusammenarbeit ist groß. Die Gespräche beim Bauerenhaff an der Stad zeigen, dass Ansprüche von Verbrauchern und Realitäten teilweise erheblich auseinandergehen. Mehr Umwelt- und Naturschutz in der Landwirtschaft bleibt eine große Herausforderung. In Kooperation mit der Lëtzebuerger Landjugend a Jongbaueren (LLJ) startet das Oekozenter Pafendall daher im Mai eine Bedarfsanalyse, um zu ermitteln, was getan werden kann, um das Zusammenspiel zwischen Landwirtschaft und Umweltschutz zu verbessern. Die Foire Agricole in Ettelbruck Anfang Juli wird einen weiteren Anlass für Austausch hierzu bieten.